Sigi Sommer: Goggs und Regenschirm
"Sein schwarzer runder Hut, der "Goggs", liegt auf einem Stuhl und sein Regenschirm, grad als ob er bloß schnell hinausgegangen wäre, der Karl Valentin. [Seine Frau Gisela] und Valentins Tochter Bertl sowie die zehnjährige Annelies verwalten in dem kleinen Häuschen in Planegg Valentins Nachlass."
"Noch drei Tage, bevor er für immer ging, saß er mit seinem Enkelkind auf dem Stubenhocker und spielte mit dem Bandonium, seinem Lieblingsinstrument, das von ihm verfasste Taucherlied und das Annerl musste möglichst laut die Moritaten-Verse mitsingen:
Öfters schon ist vorgekommen,
dass der brave Tauchermann,
weil er krank war, gar nicht tauchte
Und dem sichern Tod entrann."
"Valentin hing geradezu mit Besessenheit an seiner Münchner Stadt. [...] München hat ihn aber nach dem zweiten Krieg schnell vergessen. Kein Rundfunk, kein Brettl-Unternehmen wollte ihn mehr haben [...] Nach seinem Tode hatte seine Tochter Bertl dem Münchner Rundfunk eine Valentin-Gedenksendung vorgeschlagen, aber aus dem Rundfunkhaus kam die Antwort: "Kein Interesse an Valentins Nachlass.""
"Valentin spürte sein rasches Ende kommen. [...] und als der Hollerstrauch vor seinem Schlafzimmerfenster immer dunkler wurde, schloß er sein Lebensbuch mit dem Aufseufzer: " I hob net gmoant, dass Sterbn so schee is."
Siegfried Sommer: "Goggs und Regenschirm"
Christoph Schlingensief: Die Unmöglichkeit, es anders zu tun "Karl Valentin ist für mich einer der Größten."
"Krieg führen im Größten durch Störung im Kleinsten. Kein einfacher Kalauer, sonder der genüssliche Abrieb zu hoch eingeschätzter Zusammenhänge. [...] so scheitert bei Valentin das Orchester, der Kunde, die Familie an einem nicht zur Eingliederung zur Verfügung stehenden Element."
"Es passiert, weil es nur so passieren kann. Kein Auftrag der Verarschung wie bei Harald Schmidt oder Stefan Raab, sondern die Unmöglichkeit, es anders zu tun. Das habe ich geschätzt, das habe ich geliebt, das hat mich geprägt. Die Suche nach neuen Waffen der Kunst kann keinen pädagogischen Grund haben. Valentin reagiert immunologisch. Nur der gestörte Organismus funktioniert optimal. [...] Das ist Valentin, das ist universeller Angriff ohne jeden Anlass und deshalb mit Aussicht auf die größtmögliche Wirkung."
"Valentin war die gelungene Symbiose aus Tonfilmanfang, schwarz/weiß, Bürgertum und Anarchie. Nicht umsonst wird er gerade heute, wo Leute wie Harald Schmidt oder Stefan Raab verbrannte Erde hinterlassen haben, wieder entdeckt."
Christoph Schliengensief: Karl Valentin ist für mich einer der Größten
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